Stolz, Reichtum und Selbstvertrauen demonstriert das um 1510 erbaute, repräsentative Rathaus der Stadt Obermoschel. Stolz konnte die Stadt in der Tat sein, stolz auf eine relative Selbständigkeit, stolz auf ihren privilegierten Rang. 150 Jahre zuvor, „an unser Frowen abent als sie geboren ward“ – das war der 7. September 1349 – hatte der Deutsche König Karl IV. ( er lebte von 1316 – 1378, zumKönig war er 1346, zumRömischen Kaiser 1355 gekrönt worden) den kleinen Marktflecken zum Dank für die politische Unterstützung durch Graf Heinrich II. von Veldenz ( 1347 – 1378) zur „stat ze Mosseln under Landspurch, mit all den rechten, freiheiten und guten gewonheiten in all der geschieht und wyse, als des rychs stat ze Lutter“ erhoben. Damit war der juristische Rahmen gegeben, den der Stadtherr allmählich mit konkreten Privilegien füllte: 1488 wurde der Stadt das Recht verliehen, am 14. September einen freien Jahrmarkt zu halten. Daraus erwuchs jahrhundertelang die Tradition, am 2. Samstag im September die Kerwe zu feiern. Über 100 Jahre später verlieh Pfalzgraf Johann I. (1550 – 1604) das Recht, am 15. Juni einen 2tägigen Viehmarkt abzuhalten. 1512 ist bereits eine Stadtbefestigung bezeugt, die im Laufe der Zeit die Stadt vollständig schützend umgab, wie der Plan von 1841 zeigt. 1579 befreite Graf Johann I. von Veldenz die Bürger von der Leibeigenschaft, die Privilegien wurden mehrfach bestätigt. Die Obrigkeit übte Kontrolle und Herrschaft durch ihren Schultheiß aus, für eine gewisse Selbstständigkeit steht ein Gremium von Ratsherren unter demVorsitz eines Bürgermeisters. 1496 drückt ein Siegel gestiegenes Selbstbewusstsein aus. Auffallend ist die Markthalle im Erdgeschoss des Rathauses. Sie bezeugt die gewachsene Wirtschaftskraft der Stadt und einen wichtigen Entwicklungssprung: Bisher hatte sich die vorwiegend landwirtschaftlich geprägte Gemeinde selbst versorgt. Seit etwa 1450 war eine neue, starke Käuferschicht entstanden. Hunderte von Bergleuten, die in das größte Montanrevier Mitteleuropas zwischen Landsberg, Stahlberg und Lemberg gekommen waren, angelockt von Silber – und Quecksilbervorkommen, die nun in einer industriellen Dimension gefördert und verhüttet wurden und jedem Reichtum versprachen. Diese Bergleute mussten verpflegt werden, und sie mussten kaufen können – in einer festen Markthalle. 1431 war dem Grafen von Veldenz bereits das Münzregal verliehen worden, also das Recht, eigene Münzen zu prägen. So dokumentiert die Markthalle – wie auch in den Rathäusern von Meisenheim, Odernheim, Odenbach und Alsenz - den allmählichen Übergang zur Geldwirtschaft. Die Privilegien wurden durch die Jahrhunderte hindurch bestätigt, bis zur Herrschaft der Franzosen 1793 – 1814. Napoleon hob alle Privilegien auf. In den vergangenen Jahren hatte die Stadt an Wohlstand und Bevölkerung merklich verloren und war zu einer Landgemeinde herabgesunken, als welche es im Jahr 1816 von den Bayern übernommen wurde. „Auf Veranlassung und unter Mitwirkung des derzeitigen Bürgermeisters Maximilian Neu“ verfasste Karl Roth eine Sammlung der „Urkunden der Stadt Obermoschel“ und legte sie der Bayerischen Regierung vor. So erhielt die Gemeinde wieder das Recht, sich „Stadt“ zu nennen, freilich ohne jegliche anderen Rechte. Imposant die schöne symmetrische Fassade mit demVordergiebel in Fachwerk, in ein Türmchen mit einer kleinen Sturmglocke zulaufend. Die beiderseits über das Dach hochgezogenen Seitenmauern sollten gefährlichen Funkenflug verhindern. Heute tagt im großen Ratssaal, der sich über das gesamte Obergeschoß erstreckt, der Stadtrat mit seinemBürgermeister an der Spitze. Den Treppenaufgang ziert eine Prunkfahne des Gesangvereins „Liedertafel“, eine historische Fahne mit den drei Farben der Demokratie sollte ihren angemessenen Platz im Ratssaal finden. Sie bezeugen eine historische Blütezeit und mahnen wie das Rathaus selbst an die Verpflichtung der Bürger zu Stolz und Selbstvertrauen.
Urkunde Stadtrechtsverleihung | Siegel | Stadtplan 1841 |
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